Welche Auswirkungen hat es, wenn der Insolvenzverwalter die Firma nicht freigibt?

Johann Tillich • 3. Juli 2025

Welche Aufgaben hat der Insolvenzverwalter bis zur Firmenfreigabe?

Gerade in letzter Zeit erreichen uns immer wieder Anfragen von Mandanten zur Freigabe von Firmen nach der Insolvenzeröffnung durch den Insolvenzverwalter, der die Firma nicht selbst weiterführen möchte, aber die Einnahmen zur Insolvenzmasse haben möchte.

Wie sieht dies rechtlich aus?

In einem Regelinsolvenzverfahren, in dem der Geschäftsbetrieb nicht vom Insolvenzverwalter freigegeben wird, kommt es zu einer vollständigen Übertragung der Leitungs- und Verfügungsgewalt. Gerne erläutere ich Ihnen die genaue Rollenverteilung und die Aufgaben des Insolvenzverwalters.

Wer führt die Firma?
Sobald das Insolvenzverfahren eröffnet ist und der Geschäftsbetrieb nicht freigegeben wurde, führt allein der Insolvenzverwalter die Firma. Die bisherige Geschäftsführung verliert mit dem Eröffnungsbeschluss ihre komplette Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Unternehmens.

Die zentrale rechtliche Grundlage hierfür ist der § 80 der Insolvenzordnung (InsO).(§ 80 InsO - Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis) (1) Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über.

Das bedeutet praktisch, dass der Insolvenzverwalter ab diesem Zeitpunkt "der neue Chef" ist. Er trifft alle unternehmerischen Entscheidungen, schließt Verträge, verwaltet die Finanzen und vertritt das Unternehmen nach außen. Die ursprüngliche Geschäftsführung ist entmachtet, hat aber weiterhin Auskunfts- und Mitwirkungspflichten gegenüber dem Verwalter.

Was sind die Aufgaben des Insolvenzverwalters?
Der Insolvenzverwalter handelt nicht im Interesse der ehemaligen Eigentümer, sondern treuhänderisch im Interesse der Gläubigergemeinschaft. Seine Hauptaufgabe ist es, die Insolvenzmasse bestmöglich zu verwerten, um die Forderungen der Gläubiger so weit wie möglich zu befriedigen.

Seine konkreten Aufgaben umfassen dabei folgende Schritte:
  • Inbesitznahme und Sicherung der Insolvenzmasse: Unmittelbar nach seiner Bestellung muss der Verwalter das gesamte zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen sichern und in Besitz nehmen. Dies schließt Bankkonten, Immobilien, Maschinen und Forderungen ein.(§ 148 InsO - Inbesitznahme der Masse) (1) Der Insolvenzverwalter hat das gesamte zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen sofort in Besitz und Verwaltung zu nehmen.
  • Prüfung der wirtschaftlichen Lage: Der Verwalter analysiert die Bücher und die wirtschaftliche Situation des Unternehmens, um festzustellen, ob eine Fortführung des Betriebs (Sanierung) oder eine sofortige Stilllegung und Zerschlagung (Liquidation) sinnvoller ist.
  • Entscheidung über die Unternehmensfortführung: Basierend auf seiner Analyse entscheidet der Verwalter, ob der Geschäftsbetrieb vorläufig weitergeführt wird. Diese Entscheidung wird dem Insolvenzgericht und dem Gläubigerausschuss mitgeteilt. Ziel einer Fortführung ist oft, das Unternehmen als Ganzes zu verkaufen (übertragende Sanierung), was in der Regel höhere Erlöse für die Gläubiger bringt als eine Zerschlagung.(§ 157 InsO - Entscheidung über die Verwertung) Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat der Insolvenzverwalter durch Veräußerung des schuldnerischen Unternehmens oder seiner Betriebsteile oder durch eine andere Art der Verwertung der Insolvenzmasse, insbesondere durch deren Verteilung unter die Gläubiger, für die bestmögliche Befriedigung der Insolvenzgläubiger zu sorgen.

Verwaltung des laufenden Betriebs: Führt der Verwalter das Unternehmen fort, ist er für das gesamte operative Geschäft verantwortlich. Dazu gehört:
  • Personalangelegenheiten: Er ist der Arbeitgeber, zahlt Löhne (ggf. über Insolvenzgeld) und entscheidet über Kündigungen.
  • Vertragsmanagement: Er entscheidet, ob bestehende Verträge (Miete, Leasing, Lieferverträge) erfüllt oder gekündigt werden (§ 103 InsO).
  • Finanzmanagement: Er verwaltet die Einnahmen und Ausgaben des Unternehmens.
  • Verwertung der Vermögenswerte: Das Hauptziel ist die Monetarisierung des Vermögens. Dies geschieht entweder durch den Verkauf des Unternehmens im Ganzen oder durch den Einzelverkauf von Vermögensgegenständen (z.B. Maschinen, Warenlager, Immobilien).
Verteilung des Erlöses: Nach Abzug der Verfahrenskosten wird der erzielte Erlös gemäß einer gesetzlich festgelegten Rangfolge an die Gläubiger verteilt (sog. Abschlags- und Schlussverteilung).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Insolvenzverwalter in dieser Phase de facto zum alleinigen Geschäftsführer des Unternehmens wird, dessen Handeln jedoch nicht auf den Erhalt des Unternehmens, sondern auf die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger ausgerichtet ist.
von Johann Tillich 25. September 2025
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Immer mehr Menschen in Deutschland rutschen in die Schuldenfalle. Hohe Mieten, steigende Energiepreise, Kredite und ein unvorhergesehener Jobverlust – schon kleine Auslöser reichen, damit Rechnungen nicht mehr bezahlt werden können. Wer in dieser Situation steckt, kennt das Gefühl: Dauerstress, Angst vor dem Briefkasten und die Sorge um die eigene Zukunft. Doch genau hier setzt der Verein für Existenzsicherung e.V. (VfE) mit seiner Schuldnerberatung an. Schuldnerberatung – mehr als Zahlen und Paragrafen Viele denken beim Wort „Schuldnerberatung“ sofort an komplizierte Formulare und juristische Paragrafen. Doch beim VfE geht es um mehr: um Menschen, ihre Geschichten und ihre Chancen. Die Beraterinnen und Berater nehmen sich Zeit, hören zu und entwickeln gemeinsam mit den Betroffenen einen Plan. Ob es um eine außergerichtliche Einigung, die Vorbereitung einer Insolvenz oder die Neuordnung der privaten Finanzen geht – Ziel ist immer: raus aus der Krise, rein in ein Leben mit Perspektive. Warum der erste Schritt so wichtig ist Eines der größten Probleme: Viele Betroffene schieben das Thema vor sich her. Scham und Angst sind oft stärker als der Mut, Hilfe zu suchen. „Genau das ist der Fehler“, sagen die Experten des Vereins. Denn je früher man sich meldet, desto einfacher lassen sich Lösungen finden – manchmal sogar ohne Gericht. Mut statt Verzweiflung Der VfE will Betroffenen Mut machen. Niemand muss seine Probleme allein bewältigen. Und: Schulden sind kein persönliches Versagen – sie können jeden treffen. Der Unterschied liegt darin, ob man sich helfen lässt oder die Krise verschleppt. Der Weg zurück in ein selbst bestimmtes Leben Mit der Unterstützung der Schuldnerberatung können Ratsuchende Schritt für Schritt wieder Kontrolle über ihr Leben gewinnen: Übersicht über die finanzielle Situation schaffen mit Gläubigern verhandeln realistische Zahlungspläne entwickeln Insolvenzverfahren professionell begleiten lassen Und vor allem: wieder Hoffnung schöpfen. 👉 Mehr Informationen über die Schuldnerberatung des Vereins für Existenzsicherung e.V. finden Sie direkt auf VfE-schuldnerberatung.de . Fazit: Wer den Mut hat, den ersten Schritt zu gehen, wird feststellen: Leere Taschen sind nicht das Ende – sondern oft der Anfang eines Neuanfangs.
von Johann Tillich 11. September 2025
Herr M. ist seit Jahren überschuldet. In seiner Not wendet er sich an die Schuldnerberatungsstelle der AWO. Dort wird er aufgenommen, doch nach dem ersten Beratungsgespräch passiert lange nichts. Immer wieder wird er vertröstet: Die Wartelisten sind lang, die Berater überlastet, ein schneller Start ins Entschuldungsverfahren nicht möglich. Zwei Jahre vergehen, ohne dass ein konkreter Antrag gestellt oder ein Verfahren eingeleitet wird. Die Gläubiger lassen nicht locker, Mahnungen und Pfändungen gehen weiter. Herr M. verliert die Hoffnung und ist verzweifelt: „Ich dachte schon, ich komme da nie wieder raus.“ Schließlich erfährt er vom Verein für Existenzsicherung (VfE) . Bereits nach kurzer Zeit hat er dort einen festen Ansprechpartner, seine Unterlagen werden strukturiert geprüft und die notwendigen Schritte sofort eingeleitet. Während er bei der AWO jahrelang auf den Beginn seiner Entschuldung warten musste, spürt er beim VfE sofort, dass etwas passiert. 📌 Besonderer Vorteil des VfE Der Verein für Existenzsicherung berät nicht nur auf Deutsch, sondern auch in: Rumänisch Türkisch Bulgarisch Serbisch Kroatisch Das ermöglicht vielen Ratsuchenden, ihre Sorgen in der eigenen Muttersprache zu besprechen – ein entscheidender Schritt, um Missverständnisse zu vermeiden und Vertrauen aufzubauen. Der Unterschied zeigt sich besonders deutlich: Karitative Schuldnerberatungsstellen (z. B. AWO, Caritas, Diakonie): Lange Wartezeiten (oft mehrere Monate bis Jahre) Überlastete Mitarbeiter Verfahren ziehen sich hin, Betroffene verlieren wertvolle Zeit Verein für Existenzsicherung (VfE): Direkter Zugang ohne lange Wartelisten Strukturierte Bearbeitung der Unterlagen Schnelle Einleitung der notwendigen Schritte (z. B. Einigungsversuch, Insolvenzantrag) Entlastung für Schuldner durch klare Ansprechpartner  Gerade in der Überschuldung zählt Zeit . Jeder Monat Verzögerung kann zusätzliche Zinsen, Vollstreckungsmaßnahmen oder gar den Verlust von Wohnung oder Arbeitsplatz bedeuten. Der VfE bietet hier einen wichtigen Vorteil: Die Verfahren werden unverzüglich angepackt , damit Schuldner nicht jahrelang auf den erlösenden Schritt in Richtung Entschuldung warten müssen.
von Johann Tillich 9. September 2025
Für viele Selbstständige klingt das Wort „Insolvenz“ nach dem endgültigen Ende: Kunden springen ab, Aufträge brechen weg, und die Existenz scheint zerstört. Doch es gibt einen Ausweg, den nur wenige kennen – die sogenannte Freigabe der Selbstständigkeit. Dieses Verfahren erlaubt es Betroffenen, trotz laufender Insolvenz ihr Geschäft fortzuführen. Für viele ist das ein Rettungsanker, der die Tür zu einem echten Neustart öffnet. Der Trick mit dem fiktiven Einkommen Das Besondere an der Freigabe: Es zählt nicht der tatsächliche Gewinn des Unternehmers. Stattdessen wird ein fiktives Einkommen angesetzt – so, als würde der Schuldner in einem regulären Angestelltenverhältnis arbeiten. Dieses fiktive Gehalt orientiert sich an Ausbildung, Berufserfahrung, Alter und den regionalen Gegebenheiten. Auf dieser Grundlage wird anhand der Pfändungstabelle (§ 850 ZPO) berechnet, wie viel der Schuldner monatlich an die Gläubiger abführen muss. Der Rest bleibt ihm. Damit unterscheidet sich die Freigabe fundamental von der sonstigen Insolvenzpraxis, bei der oft jeder erwirtschaftete Euro in die Masse fließt. Überraschend niedrige Belastung Ein Praxisbeispiel zeigt, wie überschaubar die Abführung sein kann: Ein Handwerker mit Frau und Kind, fiktives Nettoeinkommen 2.500 Euro – pfändbar sind lediglich rund 125 Euro monatlich. Alles, was er mehr erwirtschaftet, verbleibt bei ihm. Für den Schuldner bedeutet das: Jeder zusätzliche Auftrag lohnt sich. „Die Freigabe ist oft die letzte Chance, das eigene Geschäft nicht komplett zu verlieren“, erklärt Insolvenzexperte Johann Tillich. „Sie schafft Planungssicherheit für die Gläubiger – und gleichzeitig eine echte Perspektive für den Schuldner.“ Zwischen Rettung und Risiko So attraktiv die Lösung klingt, sie birgt auch Risiken. Denn der pfändbare Betrag ist immer fällig, selbst wenn das Geschäft in einem Monat kaum Gewinn abwirft oder Verluste entstehen. Der Unternehmer trägt also die volle Verantwortung für seine wirtschaftliche Situation. Noch ein wichtiger Punkt: Neue Schulden aus der laufenden Geschäftstätigkeit – etwa für Miete, Steuern oder Material – fallen nicht unter die spätere Restschuldbefreiung. Sie müssen vollständig beglichen werden. Wer in dieser Situation unbedacht handelt, riskiert, sich trotz Freigabe tiefer zu verschulden. Neustart mit Eigenverantwortung Dennoch überwiegen für viele die Chancen. Während der Insolvenz bleibt der Schuldner Herr über sein Geschäft, kann Aufträge annehmen, Kunden betreuen und sogar neue Projekte starten. Auch neu angeschafftes Vermögen gehört ihm selbst und nicht mehr zur Insolvenzmasse. Damit eröffnet die Freigabe ein Stück wirtschaftliche Selbstbestimmung, das sonst in der Insolvenz verloren geht. Für Gläubiger wiederum bedeutet die Freigabe, dass sie regelmäßig mit Zahlungen rechnen können – wenn auch auf niedrigerem Niveau. Gerade dieser kalkulierbare Zufluss wird von Insolvenzverwaltern geschätzt. Fazit: Rettungsanker für Unternehmer Die Freigabe der Selbstständigkeit ist kein Freifahrtschein, aber ein Gamechanger im Insolvenzrecht. Sie schafft Anreize, Eigenverantwortung zu übernehmen, und ermöglicht Schuldnern, sich Schritt für Schritt aus der Krise herauszuarbeiten. Wer betroffen ist, sollte die Möglichkeit kennen und frühzeitig das Gespräch mit Insolvenzverwalter oder Gericht suchen. Denn eines ist sicher: Für viele Selbstständige ist die Freigabe die einzige realistische Chance, den beruflichen Neuanfang trotz Insolvenz zu schaffen.